Einleitung

 Gender-Konfigurationen organisieren in Filmen nicht nur den Plot, sondern das gesamte Repräsentationssystem. Das ist die Ausgangshypothese der hier vorgelegten kulturwissenschaftlichen Filmlektüren. Erzählmodelle, auch filmische, sind geschlechtlich konnotiert: Wenn etwa, um nur ein Genre-Beispiel zu nennen, im konventionellen Western der Held in die Weite der Prärie reitet, ist das eine mit genderspezifischen[i] Bedeutungen aufgeladene Aktion. Der aktive und mobile, traditionell männlich kodierte Held dringt – eine Aktion, die sich als Penetration konzeptualisieren lässt – in einen weiblich[ii] semantisierten Raum ein, der gefahrvoll, rätselhaft, unheimlich ist, also jenen dunklen unbekannten Kontinent figuriert, den nicht erst Freud mit Weiblichkeit gleichsetzte.[iii] Die Landschaft substituiert hier den Frauenkörper. Dieses narrative Modell funktioniert unabhängig von dem biologischen Geschlecht der Heldenfigur – nichtsdestotrotz ist der Held (im generischen Maskulinum) häufiger ein Mann als eine Frau. Vielleicht noch pointierter als andere Theoretikerinnen (die den Konnex narrativer Strukturen und genderspezifizierter Zuschreibungen beleuchtet haben: ich nenne nur Sigrid Weigel[iv], Annette Pelz[v], Barbara Schaff[vi]) hat Teresa de Lauretis[vii] auf solche gendertopographische Zusammenhänge hingewiesen. Jedes narrative Modell, so ihr Befund, zitiert die Geschlechterdifferenz und verhandelt sie, schreibt sie fort. Diese Fortschreibungen sind komplex, keineswegs einfach, sondern gekennzeichnet durch Metonymien, Chiasmen, die Geschlechteroppositionen immer wieder in Szene setzen und verhandeln, sie wiedereinspielen, sie durchsetzen und/oder durchkreuzen.

Das gilt für die hier untersuchten Gender-Topographien – verstanden als geschlechtliche Raumsemantisierungen – von kulturellen Texten, und das gilt für Gender-Topiken en général, die in den folgenden Filmlektüren in den Blick genommen werden. Die Gender-Topographien, um die es im vorliegenden Band geht, sind zerklüftet, durch Verwerfungen und Spaltungen gekennzeichnet – kein übersichtliches Gelände also. Der gewählte Titel zielt aber nicht nur auf die Rekonstruktion der Gender-Semantisierungen von geographischen Räumen. Die Gender-Topographien befassen sich mit dem Kartographieren kultureller Repräsentationsfelder, die durchsetzt und durchzogen sind von Gender-Topiken und Gender-Ikonographien; letztere begreife ich als kulturelles Bildrepertoire, das Gender-Konfigurationen verhandelt. Die vorliegenden kulturwissenschaftlichen Filmlektüren sind also literal und figurativ auf Gender-Topoi bezogen: Sie skizzieren genderspezifizierte Topographien und sie nehmen topische Gender-Zuschreibungen in ihrer jeweiligen Positionierung in den Blick. Bei der im Folgenden unternommenen Rekonstruktion von Gender-Topiken ist auszugehen von einer weitgehend fixen Besetzung von Räumen, Kostümen, Requisiten, Einstellungen oder Montageverfahren mit durch das kulturelle Repertoire vorgegebener männlicher beziehungsweise weiblicher Semantik. Allerdings ist stets zu erörtern, wie die Muster einer solchen Stereotypisierung funktionieren und wo gegenläufige Bewegungen zu beobachten sind. Minghellas Film The English Patient etwa schließt, wie ich zeigen werde, einerseits an diejenige kulturelle Topik an, die die Wüste als weiblich bestimmt. Bereits im Vorspann, der einen Flug über die Wüste zeigt – das Problem der Gender-Topographie verbindet sich hier mit der Frage der Blickordnung –, wird das Gelände weiblich konnotiert, als wundersame Terra incognita eingeführt, als etwas, was durch männlich-wissenschaftliche Rationalität und kartographisches Know-how zu explorieren, zu erkunden und zu bezeichnen ist – wie auch der Körper der Frau, in die der Protagonist sich verliebt. Andererseits invertiert der Film die Identifikation von Frau und Wüste: Der verbrannte Männerkörper des Titelhelden wird zur Wüstenallegorie. Die filmischen Räume sind also gespalten, sie werden als Zwischenräume, mit widersprüchlichen und komplexen Gender-Semantisierungen, inszeniert und lassen sich nicht trennscharf als weiblich oder männlich bestimmen.

 

Die vorgelegten Filmlektüren bauen nicht sukzessive aufeinander auf, sondern stehen in ihrem rekurrenten Versuch, die zur Debatte stehenden Problemkonfigurationen zu beschreiben und zu analysieren, nebeneinander. Sie gehen von Gender als privilegierter Funktionsstelle aus, an der sich kulturelle und historische Differenzen ablagern. Das heißt aber weder, dass Gender die einzige privilegierte Funktionsstelle ist, noch, dass diese Beschreibungskategorie zu isolieren ist: Gender-Konfigurationen sind immer auch zu beziehen auf andere kulturelle Matrices (Class, Age, Race et cetera), müssen in ihren Verwerfungen und den Interdependenzen mit anderen kulturellen Ordnungssystemen in den Blick genommen werden. So verschaltet Tennants Anna and the King in einem programmatisch zu nennenden Sinne die kulturelle Matrix Gender mit einer zweiten, mit der Matrix Race. Gender-Performanzen und Race-Performanzen sind aufeinander bezogen und durchkreuzen sich. Einer Lektüre unterzogen werden im Folgenden mit The English Patient – The Talented Mr. Ripley – Anna and the King – Crouching Tiger, Hidden Dragon – Pearl Harbor – The Others sechs Filme,[viii] die (mit einer Ausnahme) zwischen 1999 und 2001 in die Kinos kamen[ix] – und die in der Reihenfolge ihrer Erstaufführung in den USA behandelt werden. The English Patient, der Film, den Anthony Minghella vor The Talented Mr. Ripley drehte, entstand 1996; aufgenommen in die Reihe zu untersuchender Filme habe ich ihn, weil er die intrikaten Gender-Negotiationen des Talented Mr. Ripley so überzeugend antizipiert. The Talented Mr. Ripley greift heterosexuelle Konfigurationen, wie sie The English Patient organisieren, auf, um sie mit homosexuellen Ikonographien zu überblenden. Andy Tennants Anna and the King, Ang Lees Crouching Tiger, Hidden Dragon, Michael Bays Pearl Harbor verbinden Gender-Negotiationen mit Race-Negotiationen: Dabei entfaltet Anna and the King, wie schon oben ausgeführt, eine chiastische Konstellation, die – für den, kulturell traditionell als männlich konnotierten, „rationalen“ Westen einstehende – Protagonistin, die Lehrerin Anna Leonowens, trifft auf den – für den, kulturell weiblich semantisierten, „sinnenfreudigen“ und „irrationalen“ Osten einstehenden – Protagonisten, den siamesischen König. Die Aporien dieser kulturellen Zuschreibungen setzt Tennants Film in Szene. Auch Crouching Tiger, Hidden Dragon rekurriert auf das kulturelle Phantasma „Orient“ und seine geschlechtlichen Implikationen – um es zu verabschieden; Geschlechterpositionen, und ihre Semantisierungen, geraten ins Rotieren. In Michael Bays Pearl Harbor haben wir es mit einem Angriff des „Orients“ auf den „Okzident“ zu tun – einem Angriff, der als homosexuelle Vergewaltigung ins Bild gesetzt ist. Und wir verfolgen die als Kameradschaft nur getarnte Liebesgeschichte zweier amerikanischer Piloten. Sowohl Liebe als auch Krieg verhandelt der Film an der Kippfigur Homosozialität/Homosexualität. Amenábars The Others schließlich operiert mit der topischen Analogisierung von Frau(enkörper) und Haus(körper), die wir aus dem kulturellen Repertoire kennen. Der bedrohliche Eindringling, der die Sicherheit der Frau und des Hauses in Frage stellt, ist aber keineswegs ein Penetrationsabsichten verfolgender Mann, sondern die Protagonistin selbst: Traditionelle Gender-Topiken greifen in Amenábars Film, einer luziden Studie über Mütterlichkeit als Unheimlichkeit, nicht mehr.

Die Auswahl vertritt den Anspruch, eine gewisse Spannbreite der gegenwärtigen Variationen filmischer Gender-Konfigurationen vorzuführen; sie ist zwangsläufig kontingent: Statt dieses oder jenes Films hätte auch ein anderer gewählt werden können. Untersuchungsgegenstand sind die amerikanischen „Original“-Filme,[x] nicht die synchronisierten Fassungen. Die Entscheidung für die US-Fassung hypostasiert nicht etwa das (gerade, aber nicht nur) in filmwissenschaftlicher Perspektive prekäre Konzept des „Originals“; die deutsch synchronisierten Fassungen werden nicht als „defizitär“ betrachtet (wie es Filmkritik und Filmwissenschaft in der Regel mit Verweis auf die „schlechten“ Übersetzungen tun), sondern als different. Synchronisation verstehe ich als ein hochkomplexes Verfahren, das die kulturelle Matrix eines Films verschiebt. Wie jede Übersetzung funktioniert auch die Synchronisation als „re-writing“ – Bassnett und Lefevere konstatieren: „translation is a re-writing of an original text“[xi] –, das immer auch Manipulation des Textes ist – eine Manipulation, die die Analyse des kulturellen Zusammenhangs erlaubt, in den (und aus dem heraus) übersetzt wird. Den hier vorgelegten Filmlektüren ist es allerdings nicht um eine differenztheoretische Analyse des Konnexes synchronisierte Fassung versus „Original“-Fassung mit interkulturellem Impetus zu tun.[xii] Für die Analyse wurden die US-amerikanischen DVD-Editionen der Filme herangezogen,[xiii] die den amerikanischen Kinofassungen entsprechen.[xiv] Zitiert wird nicht nach den (immer in verschiedenen Fassungen) vorliegenden Drehbüchern, sondern nach Transkripten der Filmdialoge. Nur im Falle von Ang Lees Film Crouching Tiger, Hidden Dragon rekurriere ich (der Film wurde auf Mandarin nach einem englischen Screenplay gedreht und lief in den US-amerikanischen Kinos mit Untertiteln) auf die Dialogsequenzen aus dem von James Schamus und anderen verfassten Drehbuch.[xv] Bei den im Zentrum des Interesses stehenden Produktionen handelt es sich dezidiert um rezente Filme unterschiedlichster Genres und ihrer Hybridisierungen: Melodrama, Historienfilm, Kriegsfilm, Action-Film, Horrorfilm. Diverse Genres in den Blick zu nehmen ist mir deshalb wichtig, weil Genres Gender-Konfigurationen reproduzieren und „perforieren“; zu konstatieren ist ein kompliziertes Wechselspiel von Gender(s) und Genres. Semantische Besetzungen von Gender verdanken sich medialen Limitationen; alternative Gender-Kodierungen erzwingen genrespezifische Innovationen.

Die folgenden exemplarischen Analysen nehmen ihr Sujet als Objektivation des kulturellen Repräsentationssystems ernst. Kulturwissenschaft nobilitiert sich, konzeptualisiert man sie – was ich tue – im Sinne der Cultural Studies, nicht durch die Wahl ihrer Gegenstände, sondern zeichnet sich dadurch aus, dass sie sich kulturellen Objektivationen, die nicht zur etablierten Kultur gerechnet werden – wie Mainstream-Filmen –, mit derselben Akribie und Skrupulösität zuwendet, die für den Umgang mit kanonisierter so genannter Hoch-Kultur, mit Manifesten der High Art ganz selbstverständlich ist. Das heißt nicht, dass ich populäre Filme als Low Art fixiere, ich versuche vielmehr, die normative Dichotomie, die qualitativ gute qualitativ schlechten Filmen gegenüberstellt, zu umspielen – auch, indem sowohl Filme behandelt werden, die die seriöse Kinokritik mit Lob überschüttete, wie The English Patient, als auch Filme, die von der Kritik verrissen wurden, wie Pearl Harbor. Thematisiert wird sowohl das besonders populäre Multiplex-Mainstream-Kino als auch das in Hollywood produzierte Arthouse-Kino.[xvi] Mit Mieke Bal gehe ich davon aus, dass der Boom, den die Film Studies seit den 80er-Jahren erlebt haben, sich gerade dadurch erklärt, dass sie die Trennlinie zwischen Hochkultur und Populärkultur ignorieren respektive mit der Dekonstruktion dieser Trennlinie befasst sind.[xvii] Und ich gehe davon aus, dass die High-Culture-low-Culture-Dichotomie dem Gender-Sujet gegenüber nicht indifferent ist – schon aufgrund jener kulturellen Semantik, die Massenkultur als tendenziell weiblich bestimmt, während Hochkultur als männlich etikettiert wird.[xviii] Sowohl zum High-low-Problem als auch zum Gender-Sujet lässt sich eine Haltung einnehmen, die – ich beziehe mich wieder auf Mieke Bal – folgendermaßen formuliert werden kann: „In both cases, the hierarchy is not denied, which it cannot be because it is a cultural reality, but it is shifted and thereby undermined.“[xix] In den vorgelegten Lektüren werden die Transfers, die Implementierungen und Rückkoppelungen von High Art und Low Art, die Interferenzen zwischen den aktuellen Hollywood-Semantiken, und dem hochkulturellen Repertoire überhaupt, immer wieder in ihrer Funktionalität in den Blick genommen. Gezeigt wird, wie Filme – auf fast alexandrinisch zu nennende Weise – das kulturelle Repertoire, auch das kulturelle Gender-Repertoire, in Szene setzen.

Der ostinat verwendete Begriff Filmlektüre[xx] ist – darauf hinzuweisen erübrigt sich fast – den Cultural Studies und ihrem erweiterten, zeichentheoretisch begründeten Textbegriff geschuldet, der alle kulturellen Objektivationen als zu lesende Texte auffasst:[xxi] die Kleidermode des letzten Jahres, Musikclips von Robbie Williams, Graffiti an der Häuserwand et cetera – und selbstverständlich auch Filme. Allerdings darf die mediale Verfasstheit der jeweils untersuchten kulturellen Objektivation nicht vergessen werden; Filme sind als komplexe hybride Bild-Ton-Zeichensysteme zu beschreiben, deren Medienspezifik in den Lektüren Rechnung zu tragen ist. Nicht verzichtet werden konnte darauf, Bildmaterial zu zitieren. Dieses Zitierverfahren ist – das ist bekannt – nicht unproblematisch, operiert das transitorische Medium Film doch mit bewegten Bildern, die in den Abbildungen „stillgestellt“ werden (den Bildern fehlt überdies der Ton, der für das hybride Medium Film ebenfalls konstitutiv ist). Der (Ton- und) „Bewegungsverlust“ wird in unserem Falle jedoch kompensiert durch den großen Zuwachs an Evidenz, der sich aus der Visualisierung der Gender-Topographien in Einzel-Filmbildern ergibt.

Auf dem Terminus Filmlektüre insistiere ich, weil es sich bei den folgenden Filmanalysen dezidiert nicht um Interpretationen handelt – jedenfalls nicht um Interpretationen im emphatischen Sinne, die den „Sinnhorizont“ eines filmischen „Werkes“ hermeneutisch ausleuchten. Vorgeführt werden – dekonstruktiv informierte – Lektüren, die nicht „das Filmganze“ erhellen und auslegen wollen, sondern einzelne Problemkonfigurationen in ihren Auffächerungen und Aporien verfolgen, im vorliegenden Falle eben solche, die für die Matrix Gender entscheidend sind. Dabei geht es mir um das Projekt einer Lectio difficilior – um Lektüren, die nicht davor zurückschrecken, gelegentlich auch „sophisticated“ zu sein. Die in den Blick genommenen Filme werden eben nicht jenem „plain reading“ unterzogen, das sie – als Hollywood-Mainstream-Produktionen – nahe legen (und einzufordern scheinen). Die Entscheidung für möglichst produktive Lesarten, für die Lectio difficilior, nimmt die hohe Komplexität ernst, die für Prozesse von Gender-Semantisierungen (die eben nicht trivial sind, keine Banalitäten fixieren) kennzeichnend ist: Gender-Topoi sind zwar bezogen auf Gemeinplätze, eine genderspezifizierte Lektüre kultureller Objektivationen lässt sich aber nicht als simple „Zuschreibungsmaschine“ konzeptualisieren, die „männliche“ resp. „weibliche“ Implikationen festlegt, die Semantisierungsprozesse und die filmische Konstruktion von Gender erweisen sich als überaus prekär. Nicht versucht wird eine Aufschlüsselung der Filme qua Intentionskategorie. Was Minghella, Bay oder Lee, um drei der in den Blick genommenen Film Directors zu nennen, darstellen wollten[xxii] steht nicht im Fokus des Interesses[xxiii] – auch deshalb nicht, weil sich die in den Blick genommenen Mainstream-Filme nicht auf eine Regisseursintention reduzieren lassen: Dutzende von Kreativen und Technikern: Drehbuchautoren, Kostümbildner, Cutter, Beleuchter et cetera, sind mit einer einzigen Filmproduktion befasst; ihre „Intentionen“ bilden ein komplexes (und irreduzibles) Geflecht.

 

Bei den von mir analysierten Produktionen handelt es sich, das habe ich bereits ausgeführt, nicht um Avantgardefilme, sondern um Hollywoodfilme, Produkte der „Kulturindustrie“, deren akademische Rezeption zumindest bis in die 80er-Jahre durch das Bestreben bestimmt war, die in den Filmen transportierten Ideologien zu kritisieren und die „kulturindustrielle“ Manipulation des Zuschauers zu beklagen – so der Impetus der durch die Frankfurter Schule beeinflussten deutschen Kulturtheoretiker, aber auch der der (post-) marxistischen angelsächsischen Cultural-Theory-Fraktion. Von einem solch homogenen Modell der „Kulturindustrie“ und ihrem ideologischen Impetus haben sich die Cultural Studies inzwischen weit entfernt. Als eines unter vielen guten Beispielen für einen differenzierteren Umgang mit „kulturindustriellen“ Produktionen, darauf hat bereits John Storey (dessen Argumentation ich folge) verwiesen,[xxiv] lässt sich die Monographie Bond and Beyond[xxv] von Tony Bennett und Janet Woollacott anführen. Bennett und Woollacott, die die verschiedenen und sich ändernden medialen Repräsentationen der Figur James Bond in Büchern, Filmen, Fanmagazinen, Journalismus, Werbung und Interviews analysieren, wenden sich gegen die Konzeptualisierung von Popular Fiction als Transportmittel privilegierter Ideologeme, mit denen die „Kulturindustrie“ eine einheitliche Konsumentenmasse manipuliere. Sie definieren Popular Fiction als Feld komplexer ideologischer Konfigurationen, gekennzeichnet durch eine Vielzahl historisch wandelbarer, sich auch widersprechender ideologischer Diskurse und Gegendiskurse. Natürlich, so Bennett und Woollacott, sei es möglich, Bond-Filme als sexistisch, rassistisch und reaktionär zu beschreiben. Aber damit habe man noch nicht erklärt, warum das Massenpublikum eben diese Filme gerne sehe – es sei denn, man behaupte, das Massenpublikum möge eben sexistische, rassistische und reaktionäre Filme. Bennett und Woollacott stellen die These auf, dass die Figur James Bond deshalb Akzeptanz beim Publikum finde und so populär sei, weil sie den Zuschauern die Auseinandersetzung mit einer ganzen Reihe von kulturellen und politischen Konfigurationen ermögliche: mit den politischen Zuständen im kalten Krieg und danach, mit dem Verhältnis von Kapitalismus und Kommunismus, aber auch mit Gender-Konfigurationen. Vergleicht man etwa die einzelnen James-Bond-Filme miteinander, dann lässt sich zwar konstatieren, dass die Figur sich in gewisser Weise gleich bleibt, dennoch sich die Art und Weise unterscheidet, in der dominante Diskurse in den Protagonisten eingespielt werden respektive sich durchkreuzen. Indem Bond also ein Zeichen seiner Zeit ist, bewegt und verändert er sich in ihr und verkörpert unterschiedliche kulturelle Werte. „If Bond has functioned as a ‘sign of the times’, it has been as a moving sign of the times, as a figure capable of taking up and articulating quite different and even contradictory cultural and ideological values, sometimes turning its back on the meanings and cultural possibilities it had earlier embodied to enunciate new ones.“[xxvi]

Wenn man es mit Popular Fiction, mit Popular Film zu tun hat – so argumentieren Bennett und Woollacott mit Verve – macht es Sinn, die kulturellen Objektivationen, mit denen man befasst ist, nicht immer schon als „ideologisch“ und „kulturindustriell“ zu stigmatisieren (mit der Absicht, sie weitestgehend zu ignorieren), sondern vielmehr präzise zu rekonstruieren, welche Ideologeme, in unserem Fall: welche Gender-Texte in die Filme eingeschrieben sind – und wie die Filme diese Geschlechterkonstellationen prozessieren. Die Negotiationsfiguren, die durch eine solche Perspektivierung in den Blick kommen, sind voller Spannung – das wollen die vorgenommenen Lektüren erweisen. Die Art und Weise, in der Gender-Konfigurationen in den ausgewählten Filmen durchgespielt und in Szene gesetzt werden, zeigen ausdifferenzierte Verhandlungen von Geschlechterordnungen und Geschlechterkonstellationen. Nicht, dass die betrachteten Filme auf tradierte Erzählmuster – genannt sei nur das das Boy-meets-Girl-Schema – unbedingt verzichteten: So werden Love-Storys beispielsweise im Rekurs auf gängige Konventionen erzählt, die Filme operieren allerdings – wie schon ausgeführt – mit Verschiebungen, mit Chiasmen, die einen zweiten und dritten Blick auf die nur vorgeblich nicht intrikaten Erzählmodelle nötig machen.

 

Die hier vorgenommene Lektüren schließen an die ausdifferenzierten Forschungsergebnisse der feministischen Filmwissenschaft an. Seit den späten 60er-Jahren trugen von der so genannten zweiten Frauenbewegung inspirierte Filmwissenschaftlerinnen – darunter Molly Haskell, Marjorie Rosen, Joan Mellen – feministische Fragestellungen in den Bereich der Film Studies. Sie fragten nach der Repräsentation von Frauen im Film, untersuchten die kinematographische voyeuristische Konstellation und analysierten den Zusammenhang von Gender und Genre. Im Fokus des Interesses standen dabei Melodrama, Western, seit den 80er-Jahren auch der Horror- und Action-Film; in Bezug auf das Genre Western etwa wurden Dominanz männlicher Protagonisten und Aktionen, die homosozialen Konfigurationen, die Unabschließbarkeit des „Projekts Männlichkeit“, die weibliche Trigger-Funktion als Movens der Handlung herausgearbeitet. Im Jahr 1975 legte Laura Mulvey mit Visual Pleasure and Narrative Cinema[xxvii] eine der meistabgedruckten und meistbesprochenen filmwissenschaftlichen Studien überhaupt und einen (Be-) Gründungstext feministischer Filmwissenschaft respektive Filmtheorie vor. Ausgehend von der kinematographischen Apparatus-Theorie (Jean-Louis Baudry, Jean-Louis Comolli) und psychoanalytischer Filmtheorie (Christian Metz, Raymond Bellour) argumentiert Mulvey, dass sich das Unbewusste der patriarchalen Gesellschaft in den Hollywoodfilm, ins Classical Narrative Cinema einschreibe. Zentral ist für Mulvey die Analyse des Verhältnisses zwischen Zuschaueridentifikation und männlichem Blick; der Erfolg des Hollywoodkinos liegt ihr zufolge in der geschickten Manipulation der kulturell männlich konnotierten Schaulust oder „Skopophilie“ begründet, die in der patriarchalen Gesellschaft analog zur Ungleichheit der Geschlechter organisiert sei. Mulvey geht von einer Dichotomisierung der Geschlechterrepräsentationen aus und stellt dem aktiven männlichen Subjekt (Zuschauer/Protagonist) das passiv weibliche Objekt (die Ikone im Film) gegenüber: Der Mann habe den Blick („determining male gaze“), während die Frau den Blick (er-) trage („holds the look“). Diese Subjekt-Objekt-Positionen würden durch verschiedene Point-of-View-Mechanismen („shot/counter-shot“, „lingering close up“ et cetera) des Hollywoodkinos erzeugt; Frauen würden im Mainstream-Film als sexuelle Objekte dargestellt, fungierten als erotisches Objekt der männlichen Protagonisten in der Filmhandlung und als erotisches Objekt für den Zuschauer; somit seien auch Zuschauerinnen gezwungen, diese männliche Blickposition einzunehmen. Der immer männlich „positionierte“ Zuschauer empfinde Lust am „Phallus“, am ausgestellten weiblichen Körper, sei aber gleichzeitig mit Kastrationsangst konfrontiert. Er reagiere mit fetischistischer Schaulust und sadistischem Voyeurismus. Mulveys Artikel, der mit zentralen psychoanalytischen Kategorien operiert (Fetisch, Sadismus, Masochismus, Phallus, Kastration respektive Kastrationsangt, Skopophilie) hat bahnbrechend gewirkt, weil er die Frage nach der Repräsentation von Gender mit der Frage der Blickordnung verknüpft. Kritisiert wurde allerdings – mit Recht – die sehr starre, wenig differenzierte Dichotomie von männlich/aktiv/sadistisch und weiblich/passiv/masochistisch und die Vereindeutigung multivalenter Repräsentationsstrukturen in Mulveys Konzept. Teresa de Lauretis und andere postmoderne TheoretikerInnen haben die Kategorie „die Frau“, die Mulveys Analyse zugrunde liegt, in Frage gestellt – zum Beispiel durch den Hinweis, das Paradigma der sexuellen Differenz werde durchkreuzt von ethnischer Zugehörigkeit (Race)[xxviii] und Klasse (Class) – und darauf verwiesen, dass jede Konstruktion „der“ Frau bereits von Dekonstruktion durchsetzt sei. So plädiert de Lauretis auch nicht für eine feministische (Film‑) Ästhetik, sondern für das, was sie „feminist deasthetics“ nennt.[xxix] Mulveys Konzept ist – auch mit Rekurs auf die an ihm geübte Kritik – weitergeschrieben und ausdifferenziert worden, so etwa in E. Ann Kaplans Is the Gaze Male? und in Mary Ann Doanes Film and the Masquerade. Theorising the Female Spectacor.[xxx] Genderspezifizierte Filmanalysen sind immer wieder auf diese Konzeptualisierungsversuche von Blickordnung oder Maskerade verwiesen, revidieren sie und schreiben sie fort.

 

Der theoretische Rahmen der hier vorgenommenen Filmlektüren ist durch die um Entontologisierung bemühte Diskussion um Performanz beziehungsweise Performativität bestimmt. Repräsentation, auch die Repräsentation von Gender, wird nicht als Zeichen oder Bild verstanden, das für etwas a priori Gegebenes steht, das von der Darstellung unabhängig ist. Vielmehr liegt das Interesse auf dem Vorgang der kinematographischen Konstruktion der Kategorie „Geschlecht“. Kann die filmische Konstruktion von Geschlechtsidentitäten doch nicht begriffen werden „als eindeutiges, in sich abgeschlossenes Produkt [...], sondern als heterogener, krisenhafter Repräsentationsprozeß”.[xxxi] Die Kategorie „Geschlecht“, die in den hier vorliegenden Filmlektüren fokussiert ist, wird nicht biologisch-substanziell definiert, sondern performativ. Die Dominanz der Performanztheorie im Bereich der Gender Studies entspricht der Bedeutung des Performativen in vielen Strömungen zeitgenössischer Theoriebildung; maßgeblich für den Transfer des Performanzkonzeptes aus der linguistischen Sprechakttheorie in die Kultur- und Kunstwissenschaften[xxxii] war die Debatte zwischen Searle (Reiterating the Differences) und Derrida (Limited Inc.) über Austins How to Do Things with Words.[xxxiii] Austin schließt mit der klassischen linguistischen Unterscheidung zwischen Konstativa und Performativa ab (indem er nachweist, dass alle konstativen Sprechakte in performative verwandelt werden können), führt aber eine neue ein: diejenige zwischen ernstem und unernstem Sprechen – etwa als zitathaftem, wiederholendem Sprechen auf der Theaterbühne. Die „Kontamination“ des linguistischen Fachbegriffs mit „Performance“ ist also bereits bei Austin angelegt. Im Folgenden wird das Performanzkonzept in gender- und filmwissenschaftlicher Doppelperspektive angewendet. Gender-Konfigurationen werden somit als konstitutiv mediale Performationen bestimmt. Das Medium Film dokumentiert, so die Überlegung, nicht nur die alltagspraktische Herstellung von „Weiblichkeit“ und „Männlichkeit“, modelliert und präfiguriert unser Gender-Verhalten, sondern verweist auch selbstreflexiv auf den inszenatorischen beziehungsweise performativen Aspekt von Gender. Die prononcierteste Vertreterin dieser Gender-Performance-Theorie ist bekanntlich Judith Butler, die mit ihrem Buch Gender Trouble 1991 die seit den 70er-Jahren populäre Unterscheidung zwischen „Sex“ und „Gender“ auf den Prüfstand stellte. Butler dekonstruiert diese Differenz; sie argumentiert, dass die Kategorie Gender intrikaterweise auf das Konzept einer vordiskursiven Natur verweist. „Gender“ lasse sich nicht von „Sex“ trennen; vielmehr sei beides gleichermaßen als Effekt einer Zur-Schau-Stellung von Mimik, Gestik und Sprache zu beschreiben.[xxxiv]

Umfangreich rezipiert wurde Judith Butler nicht nur in den USA, sondern gerade auch im deutschsprachigen Bereich. Ihre strikt konstruktivistischen, performanztheoretischen Argumentationen veränderten Denkmuster der Geschlechterforschung – allerdings erhob die tradierte Geschlechterforschung auch Einwände etwa gegen Butlers Umgang mit der „Materialität“ des Körpers, der Physis oder der „Biologie“; vorgeworfen wurde Butler auch, ihr Konzept des „doing gender“ sei zu „voluntaristisch“.[xxxv] Dem ist zum einen entgegenzuhalten, dass Butler die Materialität des Körpers – so der gängige Vorwurf – nicht „verleugnet“, sondern nur darauf verweist, dass uns kein prädiskursiver Zugang zu eben dieser Materialität offen steht. Zum anderen ist das Butlersche Performanzkonzept sich sehr wohl der iterativen Anteile bewusst, die mit ihm einhergehen; es reflektiert, dass performative Handlungen immer auch Zwangshandlungen sind, die unter dem Diktat von Vorgaben stehen.[xxxvi] Abgezielt wird im Folgenden aber nicht auf eine nochmalige Überprüfung der inzwischen umfangreich diskutierten Gender-Performance-Theorie; es geht vielmehr um eine Analyse des „doing gender“ als unhintergehbare Voraussetzung der medialen Praxis. Filme kennen keine „natürlichen“ Körper, sondern ausschließlich Repräsentationen, genauer: performative Konstruktionen der Geschlechter, und verhandeln so immer wieder auch, mehr oder weniger explizit, Gender-Crossing-Sujets. Die Forschung hat diese Gender-Crossing-Konfigurationen wiederholt in den Blick genommen, gerade auch weil sie nicht erst seit den letzten Jahren ein beliebtes Filmthema sind. Schon Garbo spielt in Queen Christina[xxxvii] mit der Geschlechtergrenze, und Tony Curtis und Jack Lemmon inszenieren Travestie in Billy Wilders Some Like It Hot[xxxviii] – um nur zwei Filmbeispiele zu nennen. Seit den 80er-Jahren aber erlebt das Sujet einen außerordentlichen Boom,[xxxix] an dem bemerkenswert ist, dass er diejenige akademische Diskussion nicht nur begleitet, sondern mitinitiiert hat, die seit Mitte der 80er-Jahre in Cultural Studies und Gender Studies, insbesondere auch in den Queer und den Male Studies (denen die Lektüren dieser Studie entscheidende Anregungen verdanken), über die performative Konstruktion von Geschlecht geführt worden ist. Der filmische Gender-Crossing-Diskurs der 80er- und 90er-Jahre zur performativen Konstruktion von Geschlecht unterscheidet sich von dem vergangener Jahrzehnte insofern, als die wenigen Muster multipliziert und diversifiziert werden, die traditionell für Transvestismusfilme bis zu den 80ern Geltung beanspruchen (und für die einige Axiome gelten wie jenes, dass Frauen spielende Männer immer „komisch“ sind: wie etwa in Charley’s Aunt[xl] oder Some Like It Hot). Die „Travestie“-Filme der jüngsten Zeit inszenieren nicht den „Untergang der Geschlechterdifferenz“, aber sie ersetzen doch die eine (Geschlechter-) Differenz durch ein Ensemble von Differenzen,[xli] dessen Konfiguration zu beschreiben ist. Im Zusammenhang dieses Buches wichtig ist das Gender-Crossing-Sujet aber nicht mit Blick auf Travestiefilme; vielmehr ist die hier vertretene These, dass es Filme unterschiedlichster Genres infiltriert. Dieser Infiltration von Mainstream-Filmen gilt das Interesse. Im Gegensatz zur vorliegenden Forschungsliteratur wird also das „implizite“ Gender-Crossing thematisiert;[xlii] das untersuchte Filmkorpus umfasst nahezu keine Gender-Crossing-Filme im explizit-engen Sinne.[xliii] Analysiert wird, wie sich in diesem ausgewählten Korpus Gender-Implikationen verschieben, verkehren und durchkreuzen, wie die Filme traditionelle Gender-Topiken einspielen und in Bewegung setzen.

Sowenig Filme „natürliche“ Körper kennen, sowenig kennen sie kulturell unmarkierte, semantik-, insbesondere gendersemantikfreie Räume; vielmehr operieren sie mit Set-Designs, mit Filmarchitekturen und Filmlandschaften, die immer schon mit Bedeutungen aufgeladen sind – in der Regel mit widersprüchlichen und aporetisch verschränkten. Die folgenden Lektüren werden sich diesen komplexen Semantisierungsprozessen, den filmischen Inszenierungen von Gender-Topiken, im Detail widmen.

 

Entstanden ist der vorliegende Band im Kontext meiner Arbeit am Kulturwissenschaftlichen Forschungskolleg Medien und kulturelle Kommunikation; von den Impulsen des Kollegs habe ich außerordentlich profitiert. Auch ist es mir ein Bedürfnis, mich zu bedanken bei denjenigen, die sich der Mühe unterzogen haben, das entstehende Manuskript – zum Teil wiederholt – zu lesen, zu kommentieren, mit Kritik, aber auch Zuspruch zu begleiten: Gereon Blaseio, Stefan Börnchen, Katrin Oltmann, Tina Pusse, Nicole Raab, Sandra Rausch, Franziska Schößler und Ines Steiner. Ohne die intensiven, für mich so fruchtbaren Diskussionen mit ihnen, ohne ihr gut gelauntes Engagement, ihren Spaß an den Lektüren, ohne ihre vielfältigen Anregungen, ihre kompetenten Einsprüche und insistierenden Widerreden hätten mir die Gender-Topographien weit weniger Freude bereitet. Ihnen allen gebührt großer Dank.

 

 

                                                                                          Köln, im Juni 2002, Claudia Liebrand


[i] Ich präferiere im Folgenden in der Regel den englischen Begriff „Gender“, weil dieser – anders als der deutsche Terminus „Geschlecht“ (der auch auch das biologische Geschlecht meint) die kulturellen und sozialen Konstruktionsmechanismen von Geschlecht denotiert; ich orientiere mich damit am Sprachgebrauch, wie er sich im Anschluss an Judith Butlers Gender Trouble auch im deutschsprachigen Raum in den Gender Studies durchgesetzt hat (Judith Butler: Gender Trouble. Feminism and the Subversion of Identity, New York/London 1990, dt. Fassung: Das Unbehagen der Geschlechter, Frankfurt/M. 1991).
[ii] Von Männlichem und Weiblichem spreche ich nicht als ontologischen, „essenzialen“ Kategorien. Männlichkeit und Weiblichkeit sind Effekte eines prekären kulturellen Konstruktionsprozesses.
[iii] In diesem Argumentationszusammenhang wären Weiblichkeit und Räumlichkeit sozusagen dasselbe.
[iv] Sigrid Weigel: Topographien der Geschlechter. Kulturgeschichtliche Studien zur Literatur, Reinbek 1990. Weigel beschäftigt sich in ihrem Band mit den unterschiedlichen Orten von Frauen und Männern in der europäischen Zivilisationsgeschichte: „Diese unterschiedlichen Orte der Geschlechter in der abendländischen Kulturgeschichte haben auch in der Schrift ihre Spuren hinterlassen: in der Metaphorik, in Denkmustern, Diskursfiguren und in spezifischen Praktiken der Bedeutungskonstitution. Die ‚Topographien der Geschlechter’ verzeichnen diese Spuren im Blick auf exemplarische Konstellationen von ‚Weiblichkeit’ und ‚Männlichkeit’ in der Literatur“ (ebd., S. 11f.).
[v] Annegret Pelz: Reisen durch die eigene Fremde – Reiseliteratur von Frauen als autogeographische Schriften, Köln 1993.
[vi] Barbara Schaff: Gendered Cities. Italienische Städte im Blick britischer Reisender, in: Andreas Mahler (Hg.): Stadt-Bilder. Allegorie. Mimesis. Imagination, Heidelberg 1999, S. 173-196.
[vii] Teresa de Lauretis: Technologies of Gender. Essays on Theory, Film, and Fiction, Bloomington 1987. De Lauretis erläutert den Zusammenhang narrativer Strukturen und geschlechtsspezifischer Konstellationen an der Erzähltypologie von Jurij Lotman: The Origin of Plot in the Light of Typology, in: Poetics Today 1/1-2 (1979), S. 161-84.
[viii] Darüber hinaus sind einer ganzen Reihe anderer Filme längere und kürzere Exkurse gewidmet. Schreiben sich doch Texte (auch filmische Texte) von anderen Texten her. Immer wieder wird also „intertextuell“ argumentiert werden, von Bezugs- und Leitfilmen die Rede sein, von filmischen Zitier- oder Parodieverfahren etc.
[ix] The English Patient: Produktionsjahr: 1996, US-Release: 15.11.1996 (Wide Release), dt. Veröffentlichung: 27. Februar 1997 (dt. Start); The Talented Mr. Ripley: Produktionsjahr: 1999, US-Release: 12.12.1999 (Premiere)/25.12.1999 (Wide Release), dt. Veröffentlichung: 13.02.2000 (Berlinale)/17.02.2000 (dt. Start); Anna and the King: Produktionsjahr: 1999, US-Release: 15.12.1999 (Premiere)/17.12.1999 (Wide Release), dt. Veröffentlichung: 27.01.2000 (dt. Start); Wo hu cang long (Crouching Tiger, Hidden Dragon), Produktionsjahr: 2000, US-Release: 09.10.2000 (NY Film Festival)/08.12.2000 (Wide Release), dt. Veröffentlichung: 11.01.2001 (dt. Start); Pearl Harbor: Produktionsjahr: 2001, US-Release: 21.05.2001 (Premiere)/25.05.2001 (Wide Release), dt. Veröffentlichung: 07.06.2001 (dt. Start); The Others: Produktionsjahr: 2001, US-Release: 02.08.2001 (Premiere)/10.08.2001 (Wide Release), dt. Veröffentlichung: 10.01.2002 (dt. Start).
[x] Der Begriff des „Originals“ ist gerade in filmwissenschaftlicher Perspektive nicht unproblematisch. Jedenfalls steht „das Original“ in dependentem Verhältnis etwa zur Sycnhronisation, zum Remake etc. Erst – um in unserem Argumentationszusammenhang zu bleiben – die synchronisierte Fassung erlaubt es, überhaupt von einer „Originalfassung“ zu reden.
[xi] Susan Bassnett/André Lefevere (Hg.): Translation, History and Culture, London 1990, S. IX.
[xii] Es geht nicht um die Untersuchung kulturell differenter Gender-Performanzen qua Synchronisation, die interessierenden Filme werden nicht in ihrer kulturellen Produktivität als Übersetzungen in den Blick genommen (wäre das die erkenntnisleitende Überlegung, müsste auch mit den synchronisierten Fassungen gearbeitet werden), fokussiert wird die genderspezifizierte Lektüre der US-Versionen.
[xiii] Lediglich bei To Catch a Thief (USA 1955, R: Alfred Hitchcock), Wings (USA 1927, R: William A. Wellman) und M. Butterfly (USA 1993, R: David Cronenberg) musste auf US-amerikanische resp. deutsche Videokassetten zurückgegriffen werden. Hsia nu (Taiwan 1969, R: King Hu, dt. Titel: Ein Hauch von Zen) stand nur als Videoaufzeichnung einer Fernsehausstrahlung des WDR zur Verfügung. Bei der The-King-and-I-DVD handelt es sich nicht um eine US-amerikanische, sondern um eine britische DVD.
[xiv] Überprüft wurde diese Entsprechung mit Rekurs auf die International Movie Data Base (IMDB). Auch in der Analyse von Pearl Harbor wurde nicht mit dem 2002 erschienenen Director’s Cut gearbeitet, sondern mit der bei der Erstaufführung des Films gezeigten Kinofassung.
[xv] Linda Sunshine (Hg.): Crouching Tiger, Hidden Dragon. A Portrait of the Ang Lee Film Including the Complete Screenplay, New York 2000.
[xvi] Die von mir untersuchten Filme haben in der Regel die Hollywood-Majors, die großen US-amerikanischen Produktionsfirmen, herstellen lassen. Zwar wird Miramax, die Produktionsfirma von The English Patient und The Talented Mr. Ripley, gelegentlich als „independent“ bezeichnet, dieser Etikettierung ist aber zu widersprechen. Seit 1993 operiert Miramax als Tochterunternehmen des Walt-Disney-Konzerns. Auch Jerry Bruckheimer, der Produzent von Pearl Harbor, produziert zwar – nach eigenen Angaben – „unabhängig“, jedoch berichtet Michael Bay, der Regisseur des Films, im DVD-Audiokommentar über Vorgaben von Touchstone Pictures (einer weiteren Tochterfirma von Walt Disney), an die er sich halten musste. Bei den von mir in den Blick genommenen Filmen handelt es sich also in keinem Fall um „echte“ Independent-Produktionen.
[xvii] Mieke Bal: Reading “Rembrandt”. Beyond the Word-Image Opposition, Cambridge 1991.
[xviii] Vgl. dazu Andreas Huyssen: Mass Culture as Woman. Modernism’s Other, in: ders.: After the Great Divide. Modernism, Mass Culture, Postmodernism, Bloomington/Indianapolis 1986, S. 44-62.
[xix] Bal: Reading “Rembrandt” (Anm. 17 ), S. 23.
[xx] Ausgegangen wird also vom Konzept einer – performativen – Lektüre, die sich bewusst ist, in ihrem Vollzug den sie behauptenden Sinn zu erzeugen. In Bezug auf eine am Gender-Problem interessierte Lektüre heißt das, dass diese ebenfalls ein Akt ist, der nicht jenseits der Gender-Matrix stattfindet, sondern sie zugleich zitiert und umschreibt.
[xxi] Zum kulturwissenschaftlichen Textbegriff: Rick Altman: Sound Theory, Sound Practice, New York/London 1992; Mieke Bal: Art, Language, Thought, and Culture. Cultural Analysis Today, in: Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr/Internationales Forschungszentrum Kulturwissenschaften Wien (Hg.): The Contemporary Study of Culture, Wien 1999, S. 169-192; Jacques Derrida: Die Stimme und das Phänomen, Frankfurt/M. 1979; Clemens Knobloch: Zum Status und zur Geschichte des Textbegriffs, in: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 77 (1990), S. 66-86; Graeme Turner: Cultural Studies and Film, in: John Hill/Pamela Church Gibson (Hg.): The Oxford Guide to Film Studies, Oxford 1998, S. 195-201.
Zu Cultural Studies allgemein: Tony Bennett/Janet Woollacott: Bond and Beyond. The Political Career of a Popular Hero, Basingstoke 1987; Simon During: The Cultural Studies Reader, New York/London 21999; John Fiske: Understanding Popular Culture, Boston 1989; Stuart Hall: Culture, Media, Language, London 1986; Rolf Lindner: Die Stunde der Cultural Studies, Wien 2000; Tim O’Sullivan/John Hartley/Danny Sanders: Key Concepts in Communication and Cultural Studies, New York/London 21994; John Storey: What Is Cultural Studies? A Reader, London 1996; ders.: Cultural Studies and the Study of Popular Culture. Theory and Methods, Edinburgh 1996.
[xxii] Das heißt nicht, dass ich Regisseurs-Selbstdeutungen, etwa in Interviews, nicht zur Kenntnis nehme, sondern nur, dass ich solche Äußerungen nicht als „Schlüssel“ zum Filmverständnis begreife.
[xxiii] Wie prekär die Kategorie der Intention ist, haben nicht zuletzt die literaturwissenschaftlichen Diskussionen der letzten Jahrzehnte gezeigt, die klar gemacht haben, dass die „Absicht“, die „Intention“ eines Autors, einer Autorin nur als „Black Box“ zu beschreiben sei. Natürlich könnten Literaturwissenschaftler Mutmaßungen anstellen, Äußerungen des Autors über sein Werk heranziehen etc. Möglicherweise war dem Autor beim Schreiben aber seine „Intention“ nicht recht bewusst, möglicherweise sind seine Äußerungen „ex post“ durch das „kontaminiert“, was die Psychologie „Rückschaufehler“ nennt, möglicherweise sind die Autor-Selbstausdeutungen nicht weniger interpretationsoffen als das Oeuvre, auf das sie bezogen sind. Sicher jedenfalls lässt sich eine komplexe kulturelle Objektivation nicht auf das zurückrechnen, was der Autor uns gegebenenfalls „damit sagen wollte“ (wenn er es denn wollte). Das heißt nun nicht, dass die „Intentionskategorie“ ganz auf den Literatur- oder auch Filmwissenschaften verschwunden ist: im Blick sollte aber sein, dass die „Intention“ dem Text (im Sinne von kultureller Objektivation) nicht vorausgeht, sondern sich als sein performativer Effekt beschreiben lässt.
[xxiv] Storey, Cultural Studies and the Study of Popular Culture (Anm. 21 ), S. 35ff.
[xxv] Bennett/Woollacott: Bond and Beyond (Anm. 21 ).
[xxvi] Bennett/Woollacott: Bond and Beyond (Anm. 21 ), S. 19.
[xxvii] Laura Mulvey: Visual Pleasure and Narrative Cinema [1975], in: E. Ann Kaplan (Hg.): Feminism and Film, Oxford 2000, S. 34-47.
[xxviii] Auf diesen Punkt hingewiesen haben vor allem die Postcolonial Studies, vgl. z.B. Bill Ashcroft/Gareth Griffiths/Helen Tiffin (Hg.): The Post-Colonial Studies Reader, New York/London 1995; bell hooks: Yearning. Race, Gender, and Cultural Politics, Boston 1990; Anne McClintock: Imperial Leather. Race, Gender, and Sexuality in the Colonial Context, New York/London 1995; Anne McClintock/Aamir Mufti u.a. (Hg.): Dangerous Liaisons. Gender, Nation, and Postcolonial Perspectives, Minneapolis 1997; Uma Narayan: Dislocating Cultures. Identities, Traditions, and Third-World-Feminism. Thinking Gender, New York/London: 1997; Vic Satzewich/Terry Wotherspoon: First Nations. Race, Class, and Gender-Relations, Scarborough 1993.
[xxix] de Lauretis: Technologies of Gender (Anm. 7 ), S. 146.
[xxx] Mary Ann Doane: Film and the Masquerade. Theorising the Female Spectator [1982], in: E. Ann Kaplan (Hg.): Feminism and Film, Oxford 2000, S. 418-436; E. Ann Kaplan: Is the Gaze Male? [1983], in: dies. (Hg.): Feminism and Film, Oxford 2000, S. 119-138.
Kaja Silverman weitet in The Acoustic Mirror die filmtheoretische Debatte um den männlich/phallisch markierten Blick und die weibliche Filmstar als sorgfältig inszeniertes Fetischobjekt auf das Gebiet de Stimme aus und argumentiert, dass die weibliche Stimme – wie der weibliche Körper – im Film mit Immanenz, Kastration und Maskerade assoziiert sei, während die männliche Stimme mittels der Technik des Voice-over oder „voice-off“ mit Transzendenz, diskursiver Macht und Autorität konnotiert werde. Die männliche Stimme spreche, die weibliche produziere Ton, vorzugsweise den Schrei. Silvermans strikte Dichotomisierungen führen allerdings zu Stereotypisierungen, die ihrem untersuchten Filmmaterial nicht immer gerecht werden (Kaja Silverman: The Acoustic Mirror. The Female Voice in Psychoanalysis and Cinema, Bloomington 1988).
Auch Gertrud Koch schließt in Was ich erbeute, sind Bilder an Mulveys Konzeptualisierungen an und unterzieht diese einer Revision. Mit Blick zum Beispiel auf pornographische Filme statuiert Koch, dass die Kinosituation eher präödipal als ödipal zu konzeptionalisieren sei; das „Verschmelzen“ des Zuschauers mit den Filmbildern lasse an den noch sprachlosen Säugling denken, der auf den Armen der Mutter durch die Welt getragen werde – und nicht an den zielgerichteten Blick des Voyeurs. Nach Koch müssen Frauen weder zwangsläufig qua Identifikation mit den männlichen Schauspielern die männliche Zuschauerposition sowie den voyeuristischen und fetischisierenden Blick auf die Frau übernehmen, noch sich mit der Leinwandfrau als Blickobjekt des Mann identifizieren. Frauen, so Koch, entwickelten als Kinozuschauerinnen eigenständige Rezeptionen, eigene Aneignungsweisen von Filmbildern; es finde eine „zweite Produktion“ in den Köpfer der ZuschauerInnen statt (Gertrud Koch: Was ich erbeute, sind Bilder. Zum Diskurs der Geschlechter im Film, Basel/Frankfurt/M. 1989).
[xxxi] Vgl. Siegfried Kaltenecker: Spiegelformen. Männlichkeit und Differenz im Kino, Basel 1996, S.11.
[xxxii] Vgl. auch Uwe Wirth (Hg.): Performanz. Zwischen Sprachphilosophie und Kulturwissenschaften, Frankfurt/M. 2002; Lizbeth Goodman (Hg.): The Routledge Reader in Gender and Performance, New York/London 1998.
[xxxiii] John L. Austin: How to Do Things with Words. The William James Lectures Delivered at Harvard University in 1955, Cambridge 1962; Jacques Derrida: Limited Inc., Wien 1995; John R. Searle: Reiterating the Differences. A Reply to Derrida, in: Glyph 1 (1977), S. 198-208.
[xxxiv] Vgl. Butler: Das Unbehagen der Geschlechter (Anm. 1 ), S. 207 und passim. Vgl. auch dies.: Bodies that Matter. On the Discursive Limits of „Sex“, New York/London 1993, dt. Fassung: Körper von Gewicht. Die diskursiven Grenzen des Geschlechts, Frankfurt/M. 1997, und dies.: Excitable Speech. A Politics of the Performative, New York/London 1997, dt. Fassung: Haß spricht. Zur Politik des Performativen, Berlin 1998.
[xxxv] Andrea Maihofer: Geschlecht als Existenzweise. Macht, Moral und Geschlechterdifferenz, Frankfurt/Main 1995; Herta Nagl-Docekal: Geschlechterparodie als Widerstandsform? Judith Butlers Kritik an der feministischen Politik beruht auf einem Trugschluß”, in: Frankfurter Rundschau (29. Juni 1993), S. 12.
[xxxvi] Zur produktiven Kraft des Performativen als Umgang mit dem gerade nicht selbst Hervorgebrachten vgl. Sybille Krämer: Sprache – Stimme – Schrift. Sieben Thesen über Performativität als Medialität, in: Paragrana 7/1 (1998b), S. 33-57 (hier S. 48).
[xxxvii] Queen Christina, USA 1933, R: Rouben Mamoulian.
[xxxviii] Some Like It Hot, USA 1959, R: Billy Wilder.
[xxxix] Dieser Boom findet sich z.B. bei Marjorie Garber dokumentiert (Marjorie Garber: Vested Interests. Cross-Dressing and Cultural Anxiety, New York/London 1991, dt. Fassung: Verhüllte Interessen. Transvestismus und kulturelle Angst, Frankfurt/M. 1993). Auch Rebecca Bell-Metereau führt in Hollywood Androgyny 200 Titel zum Sujet Gender-Crossing an (Rebecca Bell-Metereau: Hollywood Androgyny, New York 1985). Vgl. außerdem Pamela Robertson: Guilty Pleasures. Feminist Camp from Mae West to Madonna, Durham 1996.
[xl] U.a. Charley’s Aunt, USA 1930, R: Al Christie.
[xli] Sheila Benhabib: Feminismus und Postmoderne. Ein prekäres Bündnis, in: dies. (Hg.): Der Streit um Differenz. Feminismus und Postmoderne in der Gegenwart, Frankfurt/M. 1993, S. 9-30.
[xlii] Siehe dazu auch: Claudia Liebrand/Franziska Schößler: Und die schönste Frau ist DiCaprio. Gender-Konzepte in James Camerons Titanic, in: Elisabeth Cheauré/Ortrud Gutjahr/Claudia Schmidt (Hg.): Geschlechterkonstruktionen in Sprache, Literatur und Gesellschaft. Gedenkschrift für Gisela Schoenthal, Freiburg/Br. 2002, S. 137-151. Camerons Titanic (USA 1997) ist einer, und zwar ein extrem erfolgreicher, unter den Mainstream-Filmen, die als implizites Gender-Crossing angelegt sind. Der Film über den Untergang des „mythischen“ Luxusdampfers lässt sich nicht nur als Katastrophenfilm und als Liebesfilm lesen, sondern auch als Gender-Crossing-Film, unterzieht doch Camerons Film traditionelle Geschlechterkonfigurationen einer (postmodernen) Gegenlektüre und besetzt Geschlechterpositionen um. Zu Beginn des Films haben wir es mit einer Protagonistin zu tun (Rose, gespielt von Kate Winslet), die schon durch ihren Namen als auf Defloration wartende Blumen-Frau gekennzeichnet ist. Jack (gespielt von Leonardo DiCaprio) dagegen wird als neuer Pygmalion in Szene gesetzt – ein Pygmalion, der als Künstler nicht nur Zeichnungen anfertigt, sondern der auch Rose „neu erschafft“. Am Ende des Films vertauschen die Figuren ihre Positionen: Der Schöpfer-Mann Jack/DiCaprio wird zur einer schönen Leiche (stellt damit eine topische Weiblichkeitsrepräsentation nach) – und Rose zum wirkmächtig handelnden (kulturell männlich semantisierten) Subjekt. Geschlechterrollen werden, so die Bewegung des Films, zur Disposition gestellt, nachdem sie zunächst mit Nachdruck in Szene gesetzt worden sind.
[xliii] Von einem Gender-Crossing-Film im engen Sinne wird allerdings die Rede sein – von Cronenbergs M. Butterfly, den ich im Zusammenhang mit Lees Crouching Tiger, Hidden dragon behandele.

letztes Update von Gereon Blaseio am 31.03.2003